Sollten wir es nicht bleibenlassen?

Es war ein Scherz, nicht mehr. Dass meine flapsige Frage „Wann darf ich endlich für Euren Blog schreiben?“ umgehend mit „Jederzeit!“ beantwortet wurde, hatte ich nicht erwartet. Nicht nur, weil ich ein Mann bin, sondern auch, weil ich bekanntermaßen gerne gegen den Strich bürste. Drei Urgenzen später raffe ich mich jetzt tatsächlich auf und versuche die Gratwanderung.

Den Wunsch, „das Gleiche tun dürfen wie Männer“ kann ich nur zu gut verstehen. Immerhin schreiben wir das Jahr 2020 und leben in Mitteleuropa. Gleichzeitig löst die Forderung in mir instinktiv eine Gegenreaktion, eine Gegenfrage aus: „Bitte, was darf ich denn als Mann Besonderes tun?“ Das, was ich seit rund 30 Jahren tue, nämlich mich mit Haut und Haaren in diesem Verein zu engagieren, dürfen auch Frauen (und sie tun es auch in fast allen Pfarren in der überwiegenden Mehrheit).

Würdest Du Priester werden?

Das, was ich zusätzlich tun dürfte, ist nur mehr eine sehr theoretische Angelegenheit. In den letzten Jahren haben sich im Schnitt gerade einmal 20 bis 30 Männer zu Priestern weihen lassen. Österreichweit. Forscht man nach den Gründen, zeigt sich ein vielfältiges Bild – das Wegbrechen profaner Motivationsfaktoren wie soziale Absicherung oder Sozialprestige spielt sicher eine Rolle. Aber in den meisten Gesprächen zeigen sich die innerkirchlichen Faktoren als die zentralen Hemmschuhe: Der erzwungene Verzicht auf das Getragenwerden in einer Beziehung und die Verpflichtung zum Gehorsam auch wider das eigene Gewissen sind in den meisten Fällen die Gründe dafür, warum junge Männer glauben, glücklicher zu werden, wenn sie sich ihrer Berufung verweigern.

„Würdest Du denn Priester werden?“, lautet daher sehr oft meine provokante Frage an Frauen, die sich für das Frauenpriestertum starkmachen. Der Prozentsatz positiver Antworten fällt dabei ähnlich deprimierend aus wie bei den Männern.

Soll man es deshalb lieber gleich bleibenlassen? Die Kirche würde sich so viele massive Probleme ersparen. Ich bin überzeugt, dass die Einführung der Frauenpriesterweihe unmittelbar eine Kirchenspaltung zur Folge hätte. Natürlich darf man sich nicht erpressbar machen lassen, aber der biblische Aufruf zur Einheit ist so massiv, dass man ein Schisma auch nicht leichtfertig in Kauf nehmen darf. Umgekehrt darf man aber auch nicht übersehen, dass die Erosion der Gläubigenzahlen in der westlichen Welt längst das Ausmaß einer Kirchenspaltung angenommen hat. Der Umgang mit Frauen hat daran zumindest einen Anteil.

Jesus hat nicht taktiert

Aber ich halte ehrlich gesagt all diese utilitaristischen Überlegungen für verfehlt. Jesus hat nicht taktiert, er ist zu seinen Überzeugungen gestanden, auch wenn sie kurzfristig alles andere als erfolgreich waren. Die zentrale Frage, die ich mir stelle, lautet daher ganz simpel: „Was würde Jesus tun?“ Die simple Antwort der Gegner des Frauenpriestertums lautet: „Wir wissen doch, was er getan hat – nämlich nur Männer in den Kreis der Apostel zu berufen!“ Ach, wenn es doch so einfach wäre!

Leider wird diese Antwort dem Stand der Bibelwissenschaft nicht gerecht. Die tragende Rolle von Frauen in der Jüngerschaft Jesu, aber auch im Aufbau vieler Gemeinden ist in der Zwischenzeit unbestritten. Das frühe Christentum war von einer Fülle unterschiedlicher und wechselnder Aufgaben und Ämter geprägt – an der retrospektiven Klärung, welche davon Frauen offengestanden sind, sind zuletzt auch vatikanische Arbeitsgruppen kläglich gescheitert. Meiner Meinung nach wird es hier nie zu einer gesicherten historischen Erkenntnis langen.

Warum nur dieses eine Kriterium?

Zunehmend Einigkeit besteht inzwischen lediglich darin, dass die herausgehobene Stellung der zwölf Apostel in der Bibel überzeichnet und eher der Symbolik geschuldet war. Aber selbst wenn man auf diesen Zwölferkreis fokussiert, selbst wenn man ihn zum Prüfstein der Priesterauswahl (und nicht nur der Bischöfe) macht, steht man doch vor einem unangenehmen Problem:

„Jesus hat keine Frauen in das Zwölferkollegium berufen, sowenig wie Samariter, Heiden, Hochschulabsolventen“, stellte ein Theologieprofessor pointiert fest. Über alle Wesensmerkmale der zwölf Apostel – Ethnie, Religionszugehörigkeit, Vorbildung, Alter – konnte sich die Kirche später hinwegsetzen. Aber ausgerechnet das Geschlecht soll konstitutiv für die Priesterauswahl sein? Das mag ich nicht glauben. Noch problematischer wird das Festhalten an diesem spezifischen Kriterium aber für mich, da es keinerlei Deckung in den Aussagen Jesu findet. Ich kenne keine Silbe Jesu, die eine unterschiedliche Behandlung der Geschlechter rechtfertigen würde.

Einfach vernünftig

Der Wiener Erzbischof hat einmal in einem Interview vor Bibelinterpretationen gewarnt, die der Vernunft widersprechen. Ich sehe weit und breit kein vernünftiges Argument, warum Jesus gegen die Weihe von Frauen sein würde.

Frauen zu Priestern zu weihen, wäre in meinen Augen aber nicht nur vernünftig, weil es dem Willen Gottes entspräche. Es wäre auch vernünftig, weil es zumindest manchen Frauen die Möglichkeit gäbe, ihre Berufung zu leben. Und es wäre vernünftig, weil sie unsere Kirche ein Stück mehr so machen würde, wie Jesus sie sich vorgestellt hat: Frauen sind meist einfühlsamer, geduldiger, strapazierfähiger, sie hören besser zu als Männer und tendieren nicht dazu, Antworten auf Fragen zu geben, die keiner gestellt hat. Wie wertvoll wäre mehr von diesen Eigenschaften auch in der Leitung unserer Kirche!

Florian Unterberger ist Pressesprecher bei einer Anwaltskanzlei in Wien und engagiert sich in der Pfarre Breitenfeld.

Ein Kommentar

  1. Lieber Florian, in Coronazeiten,wo ich ans Haus gebunden bin und nur ganz wenige liturgische Funktionen als sogenannter Hochrisikopatient ausüben darf und soll und auch das Priesterseminar zur weiteren Ausbldung wegen Ansteckungsgefahr momentan nicht betreten darf, finde ich Gelegenheit, auf ein Thema einzugehen, das Du schon einmal angesprochen hast, ich aber nie dazu aus Termingründen Stellung bezogen habe. Ein markanter Satz fällt mir in Deinem Beitrag besonders auf:“ Ich kann keine Silbe Jesu, die eine unterschiedliche Behandlung der Geschlechter rechtfertigen würde“ sehen.Das heißt doch: Wie wir den Auftrag und die Bitte Jesu: „Tut es zu meinem Gedächtnis“, Eucharistie zu feiern, erfüllen, ist uns vollkommen freigestellt. Ordnung muss selbstverständlich dabei gewahrt bleiben, darf aber nicht zum Hindernis werden. Somit merken wir seit Jahrzehnten eine immer stärker werdende Spannung zwischen Dogmatik und Kirchenrecht einerseits und den gesellschaftlich- pastoralen Gegebenheiten andererseits, wodurch Jesu Wort behindert wird.
    Reaktionäre Kreise (wohlgemerkt nicht konservative Kreise, Begrifflichkeit!!!) argumentieren leider sehr einseitig und auch nicht biblisch. Und überdies haben sie wenig Ahnung von der gesamten Ämterfrage. Nach der Zeit der Pastoralbriefe, wo alle Charismen in einem Amtscharisma zusammengefasst wurden, verschlechterte sich die Situation der Frau immer mehr, nicht nur allein wegen des lange anhaltenden Patriarchats. Interessant ist doch auch, dass das Amt des Propheten, das noch zu paulinischen Zeiten existent war, bald verschwunden ist. Eigentlich für mich auch klar, warum. Der Prophet sollte ja nicht nur Künder / Verkünder vom Wort Gottes sein, sondern auch Korrektiv in der jeweiligen Gesellschaft und an den Herrschenden. Viele haben das mit ihrem Leben bezahlt.
    Und: Wie sieht es mit der Kritikfähigkeit und dem Umgang mit Kritik damals und heute aus? Also, kein Wunder, dass dieses Amt bald aus der sich entwickelnden Hierarchie verschwunden ist. Kritik, leider auch fundierte Kritik ist oft schwer auszuhalten. So kann auch Religion zur Ideologie werden.
    Ein gewaltiges Hindernis auch: Die „Amtskirche“ legt sich selbst auch (dogmatische) Fesseln an, besonders im Hinblick auf das Frauenpriestertum durch die Apostolische Konstitution von Johannes Paul II. im Jahre 1994, wonach eine definitive Ablehnung der Frauenordination zu Priesterinnen erfolgt ist. Dieses Dokument ist ganz nahe an ein Dogma herangerückt und daher als „de fide“ zu verstehen., das heißt kaum änderbar.
    Ich empfehle Dir das interessante Buch von Michael Seewald „Dogmen im Wandel der Zeit“ Herder 2018 zu studieren. Der jüngste Theologe Deutschlands, auch schon mir Wissenschaftspreisen ausgezeichnet, zeigt, welche Entwicklung die Dogmengeschichte genommen hat und setzt sich sehr genau mit Begrifflichkeiten auseinander.
    Nur am Rande gesagt:Die gesamte Ämterfragezeigt manche biblisch / kirchenhistorische Unschärfe, die bei der Frauenfrage besonders auffällig wird. Wir haben es heute mit einem „ungeweihten Parallelklerus“ zu tun: Pastoralassistent*innen, Religionslehrer*innen, Wortgottesdienstleiter*innen, Begräbnisdienstleiter*innen, etc.
    Daraus kann man ja schon ersehen, wie groß die Spannungen sind. Manche Sakramente scheinen ja schon „erfolgreich“ ausgerottet zu sein, wie in weiten Teilen der Bevölkerung die Beichte, die Krankensalbung und nicht mehr übersehbar auch dei Eucharistie.Auch der Verkündigungsauftrag leidet darunter: Mt.28,16: Geht hin, lehrt, tauft auf den Namen der Dreifaltigkeit und in diesem Sinn Werke der Barmherzigkeit zu üben. Das alles sollen Männer und Frauen in verschiedenen Kulturen und Sprachen tun, egal ob verheiratet oder ledig. Dieser Auftrag mit dem Liebesgebot ohne jemand auszuschließen: i m m e r zu tun.
    Spaltung vollzieht sich heute anders als noch vor hundert Jahren. Sie wird durch Gleichgültigkeit überdeckt. Und trotzdem: Viele, viele Menschen haben Sehnsucht nach Liebe, Geborgenheit, Wertschätzung und fragen auch nach dem Sinn des Lebens und darüber hinaus. In meinen Gesprächen mit kirchlich Fernstehenden merke ich oft, wie ihre Fragestellungen sehr wohl christlich geprägt sind, ohne dass sie es wissen.
    Also hinhorchen, Ohren spitzen und 1 Petr.3,15 lesen: Auskunft über den eigenen Glauben geben, nicht arrogant von oben herab. Vielleicht können und tun wir es zu wenig, ich nehme mich davon nicht aus.
    So, das ist jetzt etwas viel geworden, stehe Dir aber gerne für Fragen zur Verfügung, wenn das auszuhalten ist, was ich da geschrieben habe.
    Ganz liebe Grüße
    Max

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