Als Kind versetzte ich mich gern oft wochenlang in bestimmte Rollen aus Büchern, die ich gerade las. Winnetou war ich z.B. ziemlich lange. Und fast ausschließlich waren das männliche Rollen – irgendwie kannte ich wohl zu wenige Heldinnen, mit denen ich mich identifizieren konnte. Ich war gerne draußen, fuhr mit dem Rad, schnitzte mir Speere und Bögen und kletterte auf Bäumen herum. Die Buben beneidete ich um ihre Erzeugnisse aus dem Werkunterricht (wir Mädchen hatten nur „Handarbeiten“, also textiles Werken). Ministrieren war nur den Buben gestattet (außer bei unserem Reliprofessor in der Unterstufe, er holte uns Mädchen auch dazu).
Dass Frau sein etwas wirklich Schönes ist, erlebte ich durch die Geburt meiner Kinder – das Leben auf so intensive Weise weiterzugeben ist wunderschön. Das drückt auch der Name „Eva“ (=Leben; Gen 3,20) aus, wie wir am Beginn der Bibel lesen können. Die Frau ist dem Mann ein ebenbürtiges Gegenüber (vgl. Gen 2). Auch in der anderen Schöpfungserzählung wird Grundsätzliches über die Menschen ausgesagt, z.B. dass sie als Bild Gottes erschaffen sind, männlich und weiblich (Gen 1,27).
Leben weiterzugeben ist auch meine Motivation als Seelsorgerin (ich bin Pastoralassistentin und Bibelreferentin) – „damit sie das Leben haben und es in Fülle/Überfluss haben“ ist meine Lieblingsaussage in der Bibel (Joh 10,10).
Ob ich Priesterin werden wollte? Frauen als Priesterinnen waren mir immer schon vorstellbar; für mich selber war der Wunsch lange irrelevant, vermutlich weil es nicht am Horizont war. Aber heute hab ich manchmal starke Sehnsucht danach – in diesen intensiven Momenten, in denen ich mit anderen Menschen Leben teile – mit ihnen auch die eucharistischen Gaben zu teilen. Oder wenn Frauen das Gespräch mit mir suchen und mir Sachen anvertrauen, die sie einem Mann nicht sagen wollen – da würde ich ihnen auch gern die Vergebung Gottes zusagen…
Vor allem aber träume ich (immer noch) von einer Kirche, die sich ohne Angst für‘s Leben einsetzt, für eine andere Welt, für eine Welt, in der Gerechtigkeit und Frieden herrschen. Und dazu gehört auch die volle Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die Bibel selbst wäre kein Hindernis, ganz im Gegenteil: in Christus sind alle gesellschaftlichen Unterschiede (auch das Geschlecht) irrelevant (Gal 3,28). Deswegen – oder trotz allem – gebe ich die Hoffnung nicht auf; eben weil Gott auch immer wieder sein „Trotzdem“ in der Sache für das Leben spricht!
Ach ja – und auf Bäume klettere ich immer noch gerne 😉
Ingrid Mohr, Bibelreferentin und Pastoralassistentin im Dekanat Schwechat
Vielen Dank für diese Worte! Darin finde ich mich mit meinen Erfahrungen wieder (außer dem Baumkraxeln). Ich vermute, dass die Sorge/Angst um einen eventuellen Machtverlust der Männerkirche mehr im Weg steht als die biblische Begründung, Jesus habe nur Männer ausgewählt. Mich macht es traurig, wenn ich sehe, dass Kirche im Leben und Denken junger Frauen vielfach nicht mehr existent ist, wobei es mir nicht so sehr um die Organisation Kirche geht, sondern um die Gemeinschaft der Jesusbewegung, um das vorbildliche und liebevolle Handeln Jesu an den Menschen und an seine enge Verbundenheit mit Gott. Meine tiefe Überzeugung: Wenn die Kirche die Frauen verliert, verliert sie Generationen.
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