Neulich unterhielt ich mich mit meiner Tochter über ihre Berufswünsche „Volksschullehrerin, Eisverkäuferin oder Pfarrer würde ich gerne werden.“ Längere Stille. Holprige Versuche meinerseits, ihr zu erklären, dass sie nicht Priesterin werden darf. „Warum?“ – „Weil das in unserer Kirche nur Männer dürfen.“ – „Ernsthaft, Mama? Das ist voll bedeppt“, sprach sie und verschwand in ihr Zimmer, um ihre Stofftiere weiter in Mathematik zu unterrichten.
„Ernsthaft?“ ja, leider.
Seit 30 Jahren engagiere ich mich schon in der Kirche, ehrenamtlich in Jungschar, Sakramentenvorbereitung, SeniorInnenpastoral, Caritas, Öffentlichkeitsarbeit, PGR, dann hauptamtlich nach dem Theologiestudium im Jugendbereich und aktuell im Ordinariat der Erzdiözese Wien. In meiner Heimatpfarre St. Elisabeth und in der Zentrale am Stephansplatz (ja auch dort!), im Feiern, Beten und gemeinsamen Suchen, im pastoralen Werkln und sogar in der Verwaltungsarbeit habe ich meine Kirche lieben gelernt. Unsere Beziehung hat ein gutes, tragfähiges Fundament, würde ich sagen. Deshalb wage ich Kritik zu üben – reife Beziehungen können daran nur wachsen.
Als ich in den 90er Jahren den Zugang zu meiner Pfarrgemeinde geschenkt bekam, fiel mir natürlich sofort auf, dass da nur Männer den Gottesdiensten vorstehen und, dass Mädchen nicht einmal zum Ministrantendienst zugelassen wurden. Ich empfand das als große Ungerechtigkeit und als Ärgernis. Ich habe viel diskutiert, nachgedacht, gelesen und bin für mich damals zu dem Schluss gekommen, dass ich ein System – wenn überhaupt- nur von innen heraus verändern kann und, dass ich gern Teil dieser Kirche bin und bleiben möchte. Ernsthaft.
Die Argumente in den zahlreichen Diskussionen waren abstrus, himmelschreiend und haarsträubend, ja erniedrigend. Vorgebracht wurden sie oft mit Arroganz unter dem Deckmantel der Demut und einem Hauch von Mitleid. Ich hörte, dass Jesus nur Männer zu Aposteln gemacht hatte, aber lernte, dass die 12er-Zahl in der Bibel symbolisch für die Stämme Israels, also die Gesamtheit des Gottesvolks, steht. Ich hörte, dass nur ein Mann, weil er wesenhaft dem männlichen Jesus ähnlich ist, Christus in der Eucharistiefeier repräsentieren kann ( „in persona Christi“). Dass zur Persönlichkeit Jesu auch das Alter, der kulturelle Hintergrund, die Sprache uvm gehören, galt nicht. Schließlich wurde mir „Weibliche Priester hat es ja noch nie gegeben!“ entgegen geschmettert, als ich auf der Uni von „Ecclesia semper reformanda“ (die Kirche ist immer weiterzuentwickeln) hörte. „Priester sein heißt vor allem Diener und weniger Chef der Gemeinde zu sein“, wurde ich aufgeklärt. Doch ist es nun mal so, dass in unserer Kirche letztendlich geweihte Männer die Macht haben, mit Tragweite zu entscheiden und zu gestalten.
Gott sei Dank habe ich in dieser Zeit auch oft erlebt, dass die Ungleichbehandlung von Mann und Frau für viele Männer, auch für solche im Priesteramt, ein Ärgernis darstellte. Wir argumentierten im Chor und sie verteidigten mich mehrmals in Diskussionen gegen Untergriffe von Mitbrüdern („das verstehst du halt nicht als Frau“ usw).
„Trotz speiben bleiben“, habe ich mir in dieser Zeit sehr oft gedacht und ich denke es mir jetzt manchmal noch. Ernsthaft.
Heute, dreißig Jahre später, bin ich mir leider nicht mehr so sicher, ob das mit dem „System von innen verändern“ nicht doch ein bisschen naiv ist. Zu zögerlich, ja verschwindend, sind die Anzeichen in diese Richtung, offensichtlich zu groß die Angst der Entscheidungsträger etwas zu verlieren oder zu riskieren. Ja, was eigentlich? Macht, Einfluss, Exklusivität, den vermeintlich einzig wahren Glauben?
Es geht nicht um Schmollwinkerl oder Wehleidigkeit auch nicht um meine Berufungsgeschichte (ich fühle mich nicht zum Priesteramt berufen) – diese Ungerechtigkeit ist und bleibt ein Skandal. Wir Frauen und Männer dürfen nicht aufhören, daran zu erinnern, damit wir nicht in abgestumpfter Gleichgültigkeit versinken. Wir müssen allerdings gut aufpassen, dass wir nicht zu viel zu schnell erwarten und uns dadurch aufreiben. Wir müssen gut aufeinander und unsere Kraftquellen achten und uns gegenseitig stärken. Und wir dürfen uns die Liebe zur Kirche – zu unserer Kirche – nicht nehmen lassen. Ernsthaft.
Mag.a Nina Sevelda-Platzl
ist Assistentin des Generalvikars der Erzdiözese Wien und Psychotherapeutin in Ausbildung
Das ist mein 3. Versuch, einen Kommentar zu Nina Seveldas großartigem Artikel zu verfassen. Keine Ahnung, wo die 2 vorigen Versuche geblieben sind?
Na gut: 3. Anlauf:
In Pater Udos Kirchenzeitung JA hat ein Priester geschrieben, dass nach seiner Erfahrung in unserer Kirchengemeinschaft 2 verschiedene Arten des Dialogs existieren:
1.) der ehrliche, lösungsorientierte Dialog
2.) der “ Gummiwand-Dialog“, den fast alle „geistlichen Gefäße“ und vor allem die „Würdenträger“ bevorzugen.
Bei diesem Dialog wird Interesse, Nachdenklichkeit… vorgetäuscht, man verspricht, das Problem zu überlegen, eine Befragung durch zu führen, vielleicht sogar eine Kommission einsetzen zu wollen…..
Dann lehnt man sich zurück – und tut: NICHTS!
Wozu auch ? Hat bis jetzt doch immer funktioniert? Auf die Gummiwand kann man sich doch immer verlassen, da prallt alles ab!
Von diesen Leuten erwarte ich mir gar nichts mehr, die sind leider mit Blindheit, Ahnungslosigkeit und Eigendünkel geschlagen.
Die Freude und Dankbarkeit über das atemberaubende Wunder der Auferstehung Jesu und die vielen großartigen “ Laien“ – und manche Priester – lasse ich mir nicht nehmen – und die halten mich in der Kirche!
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Ich glaub, dass beharrliche Stellungnahmen und Diskussionen schon was bringen … zumindest in der Einstellung der Kirchengemeinschaft. Ich kenne auch viele Priester und einige Bischöfe, die in ihren Aussagen einen Stellungswechsel bemerken lassen.
Einerseits soll man beharrlich dran bleiben, andrerseits sollte man nicht verbissen rasche Lösungen erwarten!
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